Richard Maxein - Messer & Outdoor

Klingenstähle

Klingenstähle sind ein eigenes und komplexes Thema für sich. Ich will hier versuchen euch verschiedene Faktoren, Eigenschaften und Informationen über gängige Stahlsorten zu geben ohne zu sehr in die Werkstoffkunde abzuschweifen.

Inhalt:


 

Faktoren

Die Auswahl des richtigen Klingenstahls ist eine Philosophie für sich. Hier gibt es für uns sechs wichtige Faktoren:
  • Anfangsschärfe – wie scharf kann ich eine Klinge schleifen
  • Schneidfähigkeit – wie gut durchtrennt mein Messer einen Gegenstand (wieviel Kraft benötige ich, was neben dem Stahl auch sehr stark von der Klingengeometrie abhängt)
  • Schneidhaltigkeit – (Schnitthaltigkeit) wie lange bleibt meine Klinge scharf
  • Schärfbarkeit – wie einfach kann ich das Messer wieder nachschärfen
  • Schnittgüte – wie sauber (glatt) der Schnitt hinterher ist
  • Rostträgheit – wie Korrosionsbeständig eine Klinge ist
Die Rostträgheit spielt gerade für die Anwender eine große Rolle die weniger Aufmerksamkeit der Pflege ihres Messers schenken. Generell muss man sagen, dass es keine Rostfreiheit gibt! Auch so genannter rostfreier, stainless oder inox Stahl ist immer nur rostträge! Von rostträgem Stahl spricht man ab einem Chromgehalt von 13%, was den Stahl zu einem hochlegierten Stahl macht. Für uns weniger entscheidend ist die Schnittgüte, also wie sauber ein Schnitt ist. Dafür aber die Nachschärfbarkeit. Es gild zu überlegen ob ich mein Messer auch unterwegs mit einem Schleifstein nachschärfen können muss oder ob es die gesamte Tour scharf genug bleiben sollte und ich es daheim stundenlang mit einem Arsenal von verschiedenen Wasserschleifstenen nachschärfen kann. All die oben genannten Faktoren schließen sich, wie könnte es auch anders sein, natürlich zum Teil gegenseitig aus. Also sind auch hier wieder Kompromisse gefragt.
Übrigens, industriell hergestellte Stähle werden in Qualitätsstahl und Edelstahl unterschieden. Der Begriff Edelstahl, hat entgegen der weitläufigen Meinung, nichts mit rostfrei oder rostend zu tun, sondern bezeichnet einen Stahl, welcher Zusammensetzung auch immer, der nach bestimmten Fertigungsverfahren hergestellt ist und weniger als 0,1% Phosphor und 0,1% Schwefel enthält.

 Kohlenstoffstähle (C-Stähle)

Wer wenig oder keinen Wert auf Rostträgheit legt dem bieten Kohlenstoffstähle (C-Stähle, C = chemiches Symbol für Kohlenstoff) einen guten Kompromiss aus hoher Anfangsschärfe, Schneidhaltigkeit, Schneidfähigkeit und Schnittgüte. Die meisten Werkzeugmesser oder Äxte sind nicht umsonst aus Kohlenstoffstahl. Er hat den Vorteil, dass er wegen den fehlenden karbidbildenden Legierungselementen eine sehr feine Gefügestruktur besitzt. Dies unterstützt die Stabilität der Schneide und somit die Schneidhaltigkeit, nicht zwangsläufig aber die Bruchunempfindlichkeit der ganzen Klinge. Hoch gehärtete Kohlenstoffklingen können auch eine sehr flache Primär- besitzen was das durchtrennen des Schnittguts erleichtert (hohe Schneidfähigkeit). Hier gilt je höher der Kohlenstoffanteil desto höher ist das Messer härtbar aber auch desto spröder wird es. Weit verbreitete Kohlenstoffstähle für feine harte Schneiden z.B. für feine Schnitzmesser sind z.B. C80 (0,8% C), C70 (0,7% C), C75 (0,75% C) bzw. C75W. Für große Klingen wie Fahrtenmesser oder Bowiemesser verwendet man oft C60, er ist nicht so hart steckt dafür Stoßbelastungen besser weg und ist flexibeler. Weitere weit verbreitete Kohlenstoffstähle sind auch die amerikanischen O1 (0,9-1%). 1045 (0,45% C) und 1095 (0,9-1,03% C) sowie der japanische SK-5 (0,9-1,0% C).
C-Stähle besitzen pauschal gesagt die feinsten Schneiden und haben damit die höchste Schnittgüte.  Diese ist aber eher für Chirogen und nicht für uns maßgeblech. Und selbst chirogische Messer werden heute aus rostträgen Stählen wie z.b: 1.4125 (AISI 440C) oder pulvermetallurgisch erzeugten Stählen hergestellt. Und in der kosmetischen Chirugie mit den aller feinsten Schnitten gibt es auch heute nur ein Maß der Dinge: Feuerstein!

Für C-Stähle gelten vereinfacht die Regeln:

Je mehr Kohlenstoff desto härter, verschleißfester und feiner die Schneide.
Also desto höher die Schnittgüte, Schneidhaltigkeit und Schneidfähigkeit.

Je mehr Kohlenstoff desto härter, spröder und unflexibeler die Klinge.
Also desto geringer die Bruchunempfindlichkeit und Nachschärfbarkeit.
 

Das Lesen der Stahlbezeichnung nach chemichen Elementen.

Ein Kohlenstoffstahl wird im deutschen z.B. als C45 angegeben. Die 45 geteilt durch 100 ist der Anteil an Kohlenstoff in Massenprozent. Also C = 45/100 = 0,45%. Der Rest ~ 99,5% ist Eisen und und andere Elemente in geringen Spuren. 



Hochlegierte Stähle (X-Stähle)

Als Pfadfinder, Waldläufer, Buchcrafter, Jäger, Outdoorgänger etc. bevorzugen wir eher rostträge Klingen. Diese bedürfen weniger Pflege, werden nicht schon beim Herumliegen durch Korrosion stumpf und sind auch zum Zubereiten von Lebensmitteln geeigneter da Kohlenstoffstähle den Geschmack des Essens beeinflussen. Wer schon mal mit noch alten Essbesteck aus C-Stahl gegessen hat weis das. Für die Rostträgheit ist Maßgeblich Chrom (Cr) verantwortlich. Des weiteren ist es Haupt-Karbitbilner. Karbine sind Brocken in der Stahlstrucktur aus Kohlenstoff, Chrom und underen Elementen. Sie sind sehr hart und machen so die Klinge verschleißfester. Dabei helfen maßgeblich noch Molybdän (Mo), Vanadium (V) und Mangan (Mn). Mehr Cr zieht meist auch mehr Mo und V mit sich um den Chrom "verarbeiten" zu können. Je mehr dieser Bestandteile sich im Stahl befinden desto höher härtbar wird der Stahl. Je härter der Stahl desto mehr und, leider auch, größere Karbide (Brocken) befinden sich im Stahl. Diese Brocken machen die Klinge zwar verschleißfester doch auch unflexibler. In der Schneide schützen sie zunächst vor verschleiß doch die "normale" Stahlstucktur um diese Brocken verschleißt schneller. Dadurch wird die Scheide immer schartiger, wie eine Säge. Bis die Brocken herausbrechen und die Schneide völlig stumpf ist. Die Karbide widersetzen sich auch beim Nachschärfen des Stahls. Hier hilft nur das richtige Werkzeug und vor allem Geduld. Die größte Herausforderung der Stahlhersteller ist es Zusammensetztungen, Härtemethoden und Herstellungsprozesse zu finden bei denen viele möglichst kleine Karbide gleichmäßig verteilt sind, statt weniger große. Molybdan, Vanadium und Mangan helfen dabei mehr aber kleinere  Karbide zu bilden. Bei der Herstellung erweisen sich pulvermetallurgisch erzeugte Stähle der normalen Stahlschmelze gegenüber überlegen.

Es gelten vereinfacht die Regeln:

 

Je mehr Kohlenstoff desto härter und verschleißfester die Schneide.
Je mehr Kohlenstoff desto härter und spröder die Klinge.
Je mehr Chrom, desto mehr und größer die Karbide.
Je mehr Mo, V,  Mn desto mehr Chrom kann umgewandelt werden und desto mehr und feiner die Karbide.
Je feiner die Karbide desto feiner und verschleißfester die Schneide.

Das Lesen der Stahlbezeichnung nach chemichen Elementen.

Egal welche ANSI-, Werkstoff-, Sonstige- Bezeichnung ein Stahl hat, er lässt sich immer in seine Elemente nach auflösen wenn man die chemische Zusammensetzung kennt. Alle Messerstähle sind hochlegierte Stähle und das vereinfacht für uns ungemein die Sache. Sie bestehen hauptsächlich aus den oben genannten Elementen Kohlenstoff (C), Chrom (Cr), Molybdän (Mo), Vanadium (V) und Mangan (Mn) und natürlich Eisen (Fe).
Ein hochlegierter Stahl wird z.B. angegeben: X55CrMoV17-1 (hierbei handelt es sich um Böhler N680)

  • X = hochlegierter Stahl - Die Summe mindesten eines Legierungselementes muss über 5 Massenprozent betragen. Da man für rostträgen Stahl mindestens 13% Chrom benötigt ist hier die Sache schon klar.
  • Nach dem X folgt eine Zahl, hier 55. (X55....) Das ist wie beim C-Stahl der C Gehalt in 1/100%, also hier C = 55/100% = 0,55%.
  • Dann folgen die übrigen Legierungselemente ihrem %-Massenanteil nach von viel nach weniger. Meist macht Chrom (Cr) den Anfang (X55Cr...), dann folgen i.d.R. Mo, V, Mn. (X55CrMoV...)
  • Dahinter folgt wieder eine Zahl. Diese gibt den ca. %-Massenanteil des ersten Elemtes an (X55CrMoV17...). Also hier ca. 17% Chrom.
  • Dahinter immer mit Bindestrichen abgetrennt die übrigen Elemente sie nicht unter einem %-Massenanteil haben. (X55CrMoV17-1). Also ca. 1% Molobdän und unter 1% Vanadium.
  • Die Zahlen sind gerundete Werte. D.h. hat ein Stahl z.b. 15,8% Molybdän werden in der chemischen Darstellung 16% angegeben.


Weitere Beispiele bekannter Messerstähle:

AISI 420 X45Cr13: C=0,45%, Cr=13%
Wk. 1.4125 = AISI 440C = Böhler N695= X105CrMo17: C=1,05%, Cr=17%, Mo>1%
Wk 1.4109 = X70CrMo15-6: C=0,7% Cr=15% , Mo=6%
Böhler N690 = X105CrCoMo17-2-1 = C=1,05%, Cr=17%, Co=2% (Kobalt), Mo=1%
 


Chrom-Nickel-Stahl

Chrom-Nickel-Stähle sind ebenfalls hochlegierte Stähle. Allerdings sind sie nur bedingt härtbar und daher nicht als Klingenstahl verwendbar, jedenfalls nicht für die Schneide einer Klinge. Chrom-Nickel-Stähle begegen uns überall im Leben. Am häufigsten begegnet uns X5CrNi18-10 (Werkstoff-Nr. 1.4301). Zum Beispiel bei Spülbecken, Essbesteck, Amaturen wie Wasserhähnen, Küchenhelfer wie Siebe, Reiben etc. Bei Essbesteck findet man dann die Aufschrift "18/10". Ein anderer Name für diesen Stahl ist V2A - für "Versuchsschmelze 2 Austernitisch", eine Bezeichnung von Krupp. V2A bezeichnete urspürnglich aber X5CrNi18-8 - Aufschrift "18/8". Er wurde 1912 von Krupp in Essen entwickelt um eben Amaturen, Töpfe, Rohre und andere rostträge Dinge im Tiefziehverfahren herstellen zu können. Im maritimen Bereich, z.B. bei Seewasserrohren, wird heute V4A verwendet, der noch etwas beständiger gegen korrosion und Säuren ist. V2A und V4A sind günstig, relativ weich, gut bearbeitbar und lebensmitteltechnisch unbedenklich. Daher eignen sie sich ideal für den Messerbau, z.B. Backen, Zwingen, Knäufe oder Parierelemente. Bei Klingen kommen sie nur als äußere Schicht von Laminatstahlklingen, z.B.bei der Firma Helle, zur Anwendung. Cr-Ni-Stahl ist auch äußerlich von reinen Cr-Stahl unterscheidbar. Während Cr-Stähle leicht bläulich schimmern bewirkt der Nickel im Cr-Ni-Stahl, dass die Oberfläche leicht gelblich schimmert.   

Liste mit Messerstählen nach Eigenschaften und Härte:   

Eins Vorweg, aus den Legierungselementen eines Stahls kann leider nicht wirklich über Eigenschaften und Qualität der ensprechenden Klinge geschlossen werden. Bei einem Messerstahl machen Art der Herstellung und vor allem die entsprechend gute Wärmebehandlung mindestens 50% der Qualitätaus. Bei schlechter Wärmebehandlung ist auch der aller beste und teuerste Stahl 100% Schrott.

Weit verbreitete, daher günstige, rostträge Stähle mit geringer härte und Schnitthaltigkeit aber guter Schärfbarkeit:


AISI 420 (X45Cr13)
AISI 420 ist eigentlich eine ganze Stahlgruppe mit 0,4-0,5% C und 12-14% Cr. Sehr verbreiteter Stahl für günstige Messer. Er ist nicht sehr schnitthaltig, das Nachschleifen stellt dafür allerdings kein Problem dar, ein klarer Vorteil. Die Schärfe die der Stahl annimmt ist akzeptabel. Bei AISI 420-Messern kann die Schnitthaltigkeit von Messer zu Messer schwanken da die chemische Zusammensetzung Schwankungen zulässt. Der Stahl ist rostträge, die Härte liegt bei 52-55 HRC, was das mindeste ist was eine Klinge haben sollte. Die geringe Härte macht den Stahl aber flexibel und relativ bruchsicher.
Fazit: Etwas für den kleinen Geldbeutel, für Jungpfadfinder und Anfänger ausreichend.

1.4034 (X46Cr13)
Das deutsche Pendant zum AISI 420.  Oft wird er auch einfacher 4034 genannt. Härte ebenso ca. 52-55 HRC.
Dieser Stahl hat die Klingenstadt Solingen berühmt gemacht und wird z.B. auch für die Werkzeuge bei den Victorinox-Taschenmessern verwendet.


Rostträge Stähle mit guter Anfangsschärfe, mittlerer Schnitthaltigkeit und guter Schärfbarkeit

AISI 440A (X70CrMo17) -  Härte 55-57 HRC
1.4109 (X70CrMo15-6) -  Härte 55-57 HRC
1.4110 (X55Cr14) -  Härte 54-56 HRC
AUS-6 (X60Cr14) -  Härte 55-57 HRC
Uddeholm ABE-L = Sandvik 14C26 (X60Cr13) - Härte 55-57 HRC - hervorragender Stahl gerade für feine Schneiden, entwickelt als Rasiermesserstahl



Stähle mit etwas höherer Schnitthaltigkeit aber auch teurer:
AISI 440B (X80CrMo17) - Härte 56-59 HRC
1.4112 (X90CrMoV18-1) - Härte 57-59 HRC
1.4116 (X50CrMoV15) - Härte 56-58 HRC
AUS-8 (X75CrMoV) - Härte 57-59 HRC
Sandvik 14C28N (X60Cr14) - Härte 56-58 HRC
A.N. 58 (X45Cr14) - Härte 56-58 HRC
Böhler N680 (X55CrMoV17-1) - Härte 53-58 HRC

Sandvik 12C27
(X60Cr14)
Ein Großteil der nordischen und französichen Messerklingen bestehen aus dem Stahl der Firma Sandvik aus Schweden. Seine Anfangsschärfe ist hoch, die Schnitthaltigkeit ist mittelmäßig aber er ist leicht und schnell nachzuschärfen. Er ist rostträge und hochwertiger als AISI 420 oder 1.4034. Er kann zwischen 57-59 HRC gehärtet werden. Durch seine weite Verbreitung ist auch dieser Stahl recht günstig.
Fazit: Guter und günstiger Allroundstahl für Fahrtenmesser
 

Hochleistungsmaschinenbaustähle mit guter Anfangsschärfe, hoher Schnitthaltigkeit, hoher Härte, guter Rostträgheit aber zum Teil sehr schwer zu schleifen und teuer:

1.4125 (X105CrMo17) - Härte 58-61 HRC
AISI 440C = amerikaische Bezeichnung
N695 = Bezeichnung des österreichichen Stahlherstellers Böhler
Entwickelt als Stahl für hochbelastete Kugellager ist dieser Stahl sehr Schnitthaltig und zugleich für geübte Anwender noch gut Scharfbar. Er gilt als einer der besten Messerstähle für Jagd und Outdoormesser  und wird nur noch von wenigen sehr viel teuren Stählen übertroffen. Durch seine weite Verbreitung ist er relativ günstig geworden wodurch er inzwischen schon fast einen Ruf als "Wald und Wiesen -Stahl" hat. Das ist er aber nicht. Zudem ist dieser Stahl in seiner Rostträgheit unübertroffen.

Böhler N690 (X105CrCoMo17-2-1) - Härte 59-62 HRC
1.2379 = D2 = Böhler K110 (X155CrVMo12-1) - Härte 58-61 HRC - Achtung nicht rostträge
AUS-10 (X105CrMoV14) - Härte 58-60 HRC
VG-10 (X100CrCoMo15-1) - Härte 58-61 HRC
VG-1 (X100CrMo14) - Härte 58-61 HRC
X15-T.N. (X40CrMoVN16-2) (1.4123) - Härte 57-60 HRC
ATS-34 (PM105CrMo14-4) - Härte 58-61 HRC
CPM-154 = RWL-34
(PM105CrMo14-4) - Härte 58-61 HRC - pulvermetallurgische Variante von ATS-34
Böhler M390 (PM190CrVMo20-4) - Härte 59-61 - pulvermetallurgisch erzeugt

 

Messer mit extrem langer Schnitthaltigkeit aber nur noch vom Profi schleifbar.

Böhler K190 (PM230CrVMo13-4) - Härte 60-64 HRC - pulvermetallurgisch erzeugt
Böhler K390 (PM245CrMoVCo4-4-9-2) - Härte 61-65 HRC - pulvermetallurgisch erzeugt - nicht rostträge
CPM-125V (PM330CrMoV14-3-12) - Härte 59-64 - pulvermetallurgisch erzeugt
 


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Stand 10/2016

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